Kabinett beschließt ebenfalls Stärkung von Videoverhandlungen an Zivilgerichten

Nach dem kürzlichen Vorstoß, im Strafprozess verstärkt auch Videoverhandlungen zu setzen (wir berichteten), soll nun auch an Zivilgerichten die Digitalisierung der Justiz weiter vorangetrieben werden. 

Hierzu hat das Bundeskabinett am Mitt­woch, den 24.05.2023, den Ent­wurf eines Ge­set­zes zur För­de­rung des Ein­sat­zes von Vi­deo­kon­fe­renz­tech­nik in der Zi­vil­ge­richts­bar­keit und den Fach­ge­richts­bar­kei­ten be­schlos­sen.  

Im Ergebnis soll den Ge­rich­ten ein mög­lichst gro­ßer Ge­stal­tungs­spiel­raum bei der Pla­nung, An­ord­nung und Durch­füh­rung von Ter­mi­nen per Bild- und Ton­über­tra­gung ein­ge­räumt wer­den. 

Zum Vorhaben:  

§ 128a ZPO soll insgesamt neu gefasst und erweitert werden. Dazu gehören folgende Änderungen:  

– Das Gericht soll eine Videoverhandlung in Zukunft nicht mehr nur gestatten, sondern auch selbst anordnen können. 

– Der Adressat einer Anordnung soll innerhalb von zwei Wochen Einspruch gegen die Anordnung einlegen können. Dieser Einspruch muss nicht näher begründet werden. Damit werde sichergestellt, dass niemand gegen seinen Willen in eine Videoverhandlung gezwungen wird.  

Stellen alle beteiligten Rechtsanwälte einen Antrag auf Durchführung einer Videoverhandlung, soll diese in der Regel angeordnet werden. 

– Lehnt das Gericht einen Antrag auf Videoverhandlung ab, ist diese Entscheidung nach dem Gesetzentwurf zu begründen. 

 

Außerdem sollen die Regelungen zur Videobeweisaufnahme (§ 284 ZPO-E) erweitert werden:  

– Künftig soll auch eine Inaugenscheinnahme per Video möglich sein.

– Zudem soll auch die Videobeweisaufnahme durch das Gericht angeordnet werden können.  

– Die Regelungen zur vorläufigen Protokollaufzeichnung (§ 160a ZPO-E) sollen dahingehend erweitert werden, dass neben der bereits zulässigen Tonaufzeichnung eine Bild-Ton-Aufzeichnung der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme zulässig ist. 

 

Neu ist außerdem die Einführung einer „Virtuellen Rechtsantragsstelle“ (v.a. § 129a ZPO-E): 

– Anträge und Erklärungen rechtssuchender Bürgerinnen und Bürger zu Protokoll der Geschäftsstelle sollen zukünftig auch per Video gegenüber der Geschäftsstelle abgegeben werden können (§ 129a ZPO-E). Beispiele: Anträge auf Prozesskosten- oder Beratungshilfe sowie die Erhebung einer Klage beim Amtsgericht.  

Die Neuregelungen sollen grundsätzlich auch in den Verwaltungsgerichten und Finanzgerichten zur Anwendung kommen (Anwendung über die allgemeinen Verweisungsnormen in § 173 Satz 1 VwGO und § 155 Satz 1 FGO).  

 

Die bisherigen Vorschriften der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit über Videoverhandlungen bleiben weitgehend unverändert.  

Den Ländern soll außerdem die Möglichkeit eröffnet werden, die Durchführung sog. vollvirtueller Videoverhandlungen zu erproben, bei denen sich auch das Gericht nicht im Sitzungssaal aufhält.