Ausgangspunkt ist ein Bewerbungsverfahren bei der Quirin Privatbank, in dessen Verlauf eine HR-Mitarbeiterin versehentlich vertrauliche Angaben des Bewerbers – darunter seine Gehaltsvorstellungen – an einen unbefugten Dritten weiterleitete. Der Betroffene sah darin eine Verletzung seiner beruflichen Reputation und verlangte zum einen die Unterlassung weiterer Rechtsverstöße, zum anderen Schadensersatz für den erlittenen immateriellen Schaden. Vor diesem Hintergrund hatte der EuGH in der Rechtssache C-655/23 mit Urteil vom 4. September 2025 mehrere umstrittene Fragen der DSGVO-Auslegung zu klären.
Im Kern stellt der Gerichtshof zunächst klar, dass die DSGVO keinen eigenständigen präventiven Unterlassungsanspruch kennt, der losgelöst von einem Begehren auf Löschung (Art. 17) oder Einschränkung der Verarbeitung (Art. 18) geltend gemacht werden könnte. Zugleich hindert das Unionsrecht die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes nach Art. 79 DSGVO entsprechende Ansprüche im nationalen Recht vorzusehen. In der deutschen Dogmatik kommen insoweit – sofern keine Löschung verlangt wird – insbesondere die §§ 823, 1004 BGB als Grundlage in Betracht. Damit trennt der EuGH die Anspruchsebenen: präventiver Rechtsschutz grundsätzlich national, während die materiell-rechtlichen Vorgaben der DSGVO maßgeblich bleiben.
Von besonderer praktischer Relevanz ist sodann die Auslegung des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Der Gerichtshof bekräftigt, dass auch rein subjektive Beeinträchtigungen wie Ärger, Sorge, Scham oder der empfundene Kontrollverlust über eigene Daten grundsätzlich ersatzfähig sein können – eine Erheblichkeitsschwelle verlangt die Verordnung nicht. Entscheidend ist, dass der Betroffene seine Beeinträchtigung konkret darlegt und diese kausal auf den Datenschutzverstoß zurückzuführen ist. Auf diese Weise stärkt das Urteil die Position betroffener Personen gerade in den häufigen Konstellationen, in denen sich materielle Nachteile schwer beziffern lassen.
Schließlich betont der EuGH, dass die Höhe des immateriellen Schadensersatzes unabhängig vom Verschuldensgrad des Verantwortlichen zu bemessen ist. Der unionsrechtliche Anspruch dient dem Ausgleich des erlittenen immateriellen Schadens und hat keine pönale Funktion; eine bereits erlassene Unterlassungsverfügung entfaltet daher keine „kompensatorische“ Wirkung und mindert den Ersatzanspruch nicht. Insgesamt bringt das Urteil damit mehr Klarheit: Künftiger Rechtsschutz gegen Wiederholungen wird – jenseits von Löschung/Einschränkung – über nationales Recht organisiert, während Art. 82 DSGVO einen eigenständigen, niedrigschwelligen Zugang zum Ersatz immaterieller Schäden eröffnet, der an die konkrete, kausal verursachte Gefühlsbeeinträchtigung anknüpft.
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