OLG Saarbrücken, Beschluss vom 18.05.2017 – Ss BS 8/2017 (8/17 OWi)
Das Saarländische Oberlandesgericht hat entschieden, dass die Vorgehensweise der Stadt Neunkirchen, die Auswertung der mit ihren stationären Überwachungsgeräten aufgezeichneten Geschwindigkeitsverstößen in weiten Teilen einem privaten Dienstleister (Firma Jenoptik) zu überlassen, rechtswidrig ist. In den Gründen heißt es dazu u. a.:
„Gemäß Art. 33 Abs. 4 GG ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Die Feststellung, Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten gehört als typische Hoheitsaufgabe zum Kernbereich originärer Staatsaufgaben. Eine eigenverantwortliche Wahrnehmung dieser Aufgaben durch Privatpersonen scheidet damit aus. Das schließt zwar nicht aus, dass die Verwaltungsbehörde sich technischer Hilfe durch Privatpersonen bedient. In jedem Fall muss aber sichergestellt sein, dass die Verwaltungsbehörde „Herrin“ des Verfahrens bleibt. (…)“
Fraglich sei laut OLG bereits, ob die Stadt schon deshalb nicht mehr Herrin des Verfahrens gewesen sei bzw. keine ausreichende Kontrolle über Ermittlungsdaten gehabt habe, weil diese zunächst auf einem Server eines Privatunternehmens abgelegt worden sind. Jedenfalls sei es nicht zulässig, Bearbeitung und Auswertung der Messdaten durch eine Privatfirma vornehmen zu lassen, ohne als Behörde im Bußgeldverfahren die Übereinstimmung von Original- und aufbereiteten Daten nach Erhalt der Daten zu prüfen. Denn eine Manipulation der Daten durch das Privatunternehmen könne nicht ausgeschlossen werden.
Da die Stadt durch ihre Vorgehensweise zudem einen Erlass des Ministeriums für Inneres, Kultur und Europa bewusst missachtet habe, liege ein Beweisverwertungsverbot vor. Demnach hat das Amtsgericht Neunkirchen den betroffenen Autofahrer, dem eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 39 km/h vorgeworfen worden ist, zu Recht freigesprochen.
Außer der Stadt Neunkirchen arbeiten auch zahlreiche andere Kommunen im Saarland bei der Geschwindigkeitsüberwachung mit Privatunternehmen zusammen. Teilweise werden diese Unternehmen von den Städten pro verwertbarem Messfoto vergütet / am „Gewinn“ beteiligt.