Bundeskabinett beschließt digitale Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung

Das Bun­des­ka­bi­nett hat am 10.05.23 den Ent­wurf eines Ge­set­zes zur di­gi­ta­len Do­ku­men­ta­ti­on der gesamten erstinstanzlichen Haupt­ver­hand­lung im Strafverfahren vor den Land- und Oberlandesgerichten (§ 271 Absatz 2 Satz 1StPO-E) be­schlos­sen.

Zen­tra­ler Be­stand­teil der Neu­re­ge­lung ist neben der Bildauf­zeich­nung der Haupt­ver­hand­lung (§ 271 Abs. 2 S. 2 StPO-E in Verbindung mit § 19 Abs. 1 S. 2 StPOEG-E) auch die au­to­ma­ti­sier­te Über­tra­gung der Tonauf­zeich­nung in ein Text­do­ku­ment (§ 271 Abs. 2 S. 2 StPO-E). Wie das Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um mit­teil­te, soll für Ver­fah­rens­be­tei­lig­te ein zeit­na­her Zu­griff auf die Do­ku­men­ta­ti­on ge­währ­leis­tet wer­den. Profitieren sollen nach den Plänen des Bundeskabinetts sämtliche Verfahrensbeteiligte. Sie erhielten ein verlässliches, objektives und einheitliches Arbeitsmittel zur Aufbereitung der Hauptverhandlung und könnten sich dadurch noch besser auf den Prozess konzentrieren.

Darüber hinaus solle das Risiko noch weiter reduziert werden, dass ein Urteil auf falsch wahrgenommene oder erinnerte Aussagen in der Verhandlung gestützt wird. Gerade bei umfangreicheren Verfahren lägen Aussagen bei Abfassung des Urteils häufig schon Monate zurück. 

Darüber hinaus misst der Entwurf dem Schutz der Persönlichkeitsrechte zentrale Bedeutung bei (§§ 273 Abs. 2, 273a Abs. 2, 273b Abs. 2 und 3 StPO-E auch in Verbindung mit § 32f Abs. 4 und 5 StPO und §§ 496 ff. StPO§ 19 Abs. 2 StPOEG-E, § 353d Nr. 4 StGB-E): Bereits bei der Aufnahme könne dem Schutz der Persönlichkeitsrechte Rechnung getragen werden, etwa durch die Möglichkeit einer technischen Verfremdung (beispielsweise Stimmverzerrung oder im Fall von Bildaufnahmen Verpixelung). Für die Verwendung der Aufzeichnung seien zudem technische Sicherungen vorzusehen, die dem Stand der Technik entsprechen. Eine Verbreitung oder Veröffentlichung der Aufzeichnungen werde mit Strafe bedroht.

Die Einführungs- und Pilotierungsphase soll laut Justizministerium bis zum 01.01.2030 dauern. In dieser Phase könnten die Länder bestimmen, ab wann und an welchen Gerichten oder Spruchkörpern aufgezeichnet wird (Art. 2, 3, 4 und 10 des Regierungsentwurfs). 

Der Entwurf sieht im Übrigen folgende Regelungen vor:

  • Die Dokumentation steht den Verfahrensbeteiligten als Arbeitsmittel neben dem Formalprotokoll zur Verfügung (§§ 271, 273a Abs. 1, 273b Abs. 1, 274 Abs. 2 StPO-E).

  • Im Fall von technischen Ausfällen oder Fehlern hat die Durchführung der Hauptverhandlung Vorrang (§ 273 Abs. 1 StPO-E).

  • Es wird klargestellt, dass die Verwendung der Aufzeichnungen in der Revision zulässig, aber auf Evidenzfälle beschränkt ist (§§ 344 Abs. 2 Satz 2, 352 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 StPO-E).

  • Hinsichtlich der sogenannten Staatsschutzsenate gilt die Aufzeichnungs- und Transkriptionspflicht bereits ab dem 1. Januar 2028, soweit diese in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes zuständig sind (§ 19 Abs. 4 StPOEG-E). Dies setzt entsprechend vorgezogene Pilotierungen an den Staatsschutzsenaten voraus.

Quellen: